1. Projektbereich III — Ethische Herausforderungen und Verbesserungsmöglichkeiten im Vorausplanungsprozess

    In psychiatrischen Patientenverfügungen können Betroffene Behandlungspräferenzen für zukünftige Krisensituationen benennen, in denen ihre Selbstbestimmungsfähigkeit eingeschränkt ist. Primäres Ziel solcher Verfügungen ist die Wahrung und Stärkung der Patientenautonomie, erste Praxiserfahrungen und wissenschaftliche Untersuchungen konnten zudem die Verbesserung der subjektiven Behandlungsqualität sowie der therapeutischen Beziehung als Vorteile identifizieren. Darüber hinaus können psychiatrische Patientenverfügungen zur Reduktion von Zwangsmaßnahmen und -behandlungen sowie Unterbringungen beitragen. Seit der Einführung des Patientenverfügungsgesetzes (1901a BGB) im Jahr 2009 sind sie in Deutschland rechtlich bindend. Psychiatrische Patientenverfügungen tragen durch die Förderung von Selbstbestimmung und Gleichbehandlung auch zum Erreichen der in der UN-Behindertenrechtskonvention genannten Ziele bei. Inhaltlich umfassen sie typischerweise Medikamentenpräfenzen, bevorzugte Behandlungsmethoden und -orte, relevante Komorbiditäten, die Angabe von Kontaktpersonen sowie die Regelung von privaten Angelegenheiten wie Finanzen, Familie und Haustieren.

    In einer Interviewstudie (Kim et al. 2007) äußerte sich ein Patient folgendermaßen zu psychiatrischen Patientenverfügungen:

    „Es ist wahrscheinlich die größte Verbesserung, die es seit Langem in der psychiatrischen Versorgung gegeben hat, weil es einem Rechte gibt während man gesund ist und weiß, was gut für einen ist – und man selbst ist der Einzige, der weiß, was tief im Innern das Beste für einen ist.“

    Trotz eines hohen Interesses von Betroffenen an psychiatrischen Patientenverfügungen wurden in Deutschland bislang nur wenige erstellt. Ursächlich hierfür könnte die Sorge einiger Psychiater*innen sein, dass die Festlegungen in einem solchen Dokument nicht vereinbar mit gängigen Behandlungsempfehlungen sind oder Patienten in ihnen jegliche Behandlung ablehnen, woraufhin sie sich nicht an der Erstellung von Vorausverfügungen beteiligen. Dabei zeigen Forschungsergebnisse, dass diese Befürchtungen gerade bei im Dialog mit Professionellen erstellten Patientenverfügungen in der Regel unbegründet sind.

    Ziel dieses Projektbereiches ist der Abbau von Barrieren, die der flächendeckenden Implementierung von wirksamen psychiatrischen Patientenverfügungen entgegenstehen. Dazu zählt insbesondere die Verbesserung der Qualität der Dokumente, die Erarbeitung von Lösungsvorschlägen zu ethischen Dilemmata im Kontext von Vorausverfügungen sowie der Transfer von Perspektiven und Erkenntnissen zwischen Wissenschaft, klinischer Praxis und Betroffenen. Zu den Arbeitsweisen zählen neben konzeptionellen Analysen und empirisch-ethischer Forschung auch systematische Übersichtsarbeiten.