1. Zum Projekt

    Hintergrund

    In vielen Ländern können Menschen mit psychischen Störungen in Situationen von Eigen- oder Fremdgefährdung gegen ihren Willen in ein Krankenhaus eingewiesen und dort behandelt werden. Die zugrundeliegenden rechtlichen Regelungen werden häufig nicht weiter hinterfragt.

    Das Bochumer SALUS-Projekt untersucht vor diesem Hintergrund ethische Aspekte der Anwendung von Zwang in der Psychiatrie im Spannungsfeld von Selbstbestimmung, gesundheitlichem Wohl und Sicherheit. Das Akronym SALUS erinnert dabei an die römische Gottheit Salus, die mit Wohlergehen und Sicherheit in Verbindung gebracht wurde.

    Ziele

    Das Bochumer SALUS-Projekt untersucht, ob und wann Zwang in der Psychiatrie moralisch gerechtfertigt ist und wie die Werte „gesundheitliches Wohl“ und „Sicherheit“ im Vorausplanungsprozess besser berücksichtigt werden können. Im Laufe des Projektes werden

    1. die erfolgten gesetzlichen Veränderungen, die das Selbstbestimmungsrecht gestärkt haben, und deren Implikationen für das gesundheitliche Wohl von Betroffenen und die Sicherheit Dritter analysiert,
    2. die Einstellungen von Professionellen, Betroffenen und der Bevölkerung zu Zwang in der Psychiatrie untersucht,
    3. die Bedingungen, unter denen Zwangseinweisungen, -maßnahmen und -behandlungen moralisch gerechtfertigt sind, bestimmt,
    4. Patientenverfügungen durch Einbezug der Werte „gesundheitliches Wohl“ und „Sicherheit“ in den Vorausplanungsprozess verbessert und
    5. Chancen und Risiken von Odysseus-Verfügungen und ihrer Implementierung in Deutschland beurteilt.

    Methodischer Ansatz

    Das SALUS-Projekt bedient sich eines methodischen „bottom-up“-Ansatzes, in dem konzeptionelle und normative Analysen eng mit qualitativen und quantitativen empirischen Untersuchungen verknüpft sind und durch diese informiert werden. Es erfolgt die Anwendung der Methode des Überlegungsgleichgewichts, bei der in einem bidirektionalen deliberativen Prozess, ausgehend von moralischen Urteilen über individuelle Fälle hin zu übergeordneten moralischen Prinzipien, ethisch über klinische relevante Entscheidungssituationen nachgedacht wird.

    Grundlegende normative Prinzipien werden dabei sowohl aus rechtlichen Dokumenten als auch aus empirisch-ethischer Forschung, beispielsweise zu Einstellungen von verschiedenen Stakeholdern, abgeleitet. In der empirischen Ethik werden die moralischen Überzeugungen verschiedener Stakeholder über ethische Themen mit den Methoden der empirischen Sozialforschung ermittelt. Hierzu werden sowohl qualitative als auch quantitative empirische Methoden eingesetzt.